Die Firma (Teil 1)

Ich stand mit Francois vor dem Kaffeeautomaten, dem inoffiziell grössten Zeitfresser der Firma. Das beste war der Kakao, Kaffee mochte ich nicht.

 

Ich war fertig mit meinem Ferienjob, mehr oder weniger wegen U. war ich nochmal hergekommen. Hab mir einen Vorrat an Energydrinkdosen geholt. Etwas 20. Bester Energydrink. Von dem am weitesten von U.'s Arbeitsplatz entfernten Automaten natürlich, ist ja auch gesund, Beine vertreten und so.

 

Francois hatte noch einige Monate Job vor sich, immerhin jetzt für einen Scheisslohn, statt einem Superscheisslohn, so viel hatte er sich in einem Gespräch erstritten.

 

"Muss los.", meinte Francois. Natürlich hatte er schon eingestempelt, und DANACH einen Kakao getrunken, wie es üblich war, aber da sein Vater nur eine Abteilung entfernt arbeitete, hatte er in dieser Hinsicht weniger Freiheit als ich, der sicher mindestens einen Viertel meiner Arbeitszeit nur unproduktiv herumlief, vor allem wenn U. da war, der einen gewissen Respekt zu geniessen schien.

 

Bei Francois' Abteilung unterdessen hatte es einen "hochsignifikanten Anstieg an fehlerhaften Computern" gegeben, der zeitlich mit seiner Anstellungszeit zusammenfiel, was seine Situation noch mehr einschränkte. Ich verabschiedete mich also und lief Richtung Ausgang während ich meine Zeit in dem Laden evaluierte.

 

Nachdenkliches Gesicht. Verschwimmende Szene. Backflash.

 

Die scheiss Metallschienen waren es gewesen!

Ich kratzte die Stellen zwischen meinen Fingern mit dem Ausschlag. Kleine Bläschen waren darauf zu sehen. Sie liessen sich ausdrücken, aber das tat ziemlich weh. Ich hatte mir wohl nach dem Einpacken der öligen Schienendinger die Hände über Nacht nicht gewaschen.

Wie eklig von mir.

 

"Mata!" U. stand mit freudig erregtem Gesicht von seinem zu Tode gesessenen und zerfledderten Stuhl auf und kam an meinen Platz, die leuchtenden Augen nicht einen Moment vom Smartphonedisplay abwendend.

Da war eine dicke Frau mit richtig labberigen Titten auf dem Bild, das er mir unter die Nase hielt. Ich versuchte ehrlich statt säuerlich zu lächeln und spähte aufs offene Feld hinaus, wo unser Chef gerade noch mit einem Gabelstapler entlanggefahren war.

 

Ich befand mich in der Invalidenabteilung der Firma in der mein Vater arbeitete und hatte nichts zu tun.

Keine Ahnung warum die mich eingestellt hatten. Nicht dass sie viel Geld an mich verloren, ich hatte den niedrigesten Lohn unter all meinen Bekannten die je IRGENDWO einen Ferienjob gemacht hatten, aber dummerweise beharrte der Chef dieser Abteilung auf meinem pünktlichen Erscheinen und Verschwinden. Und Arbeiten manchmal.

 

U. hatte inzwischen einen anderen gefunden, dem er seine neue Errungenschaft zeigen konnte.

"Die würdest du gerne, hm?", fragte der Typ der jetzt bei ihm stand gehässig.

"DU WÜRDEST DIE GERNE!", antwortete U. sofort und lachte, als hätte er soeben die schlagfertigste Antwort des Jahrzehnts rausgehauen. Die beiden verschwanden zum Kaffee.

 

U. hatte eine Lernbehinderung, so viel wusste ich von einem anderen Arbeiter, der mich am ersten Tag vor ihm gewarnt hatte.

"Er ist sehr speziell. Pass ein bisschen auf." waren die beunruhigenden Worte, mit denen mich so ein Personaltyp mit U. bekannt gemacht hatte.

"Oder U.?", meinte er dann viel zu laut zu U. und klopfte ihm auf die Schulter.

U. sah nichtmal auf. "Was?"

"Du bist sehr speziell, oder?"

Er bekam keine Antwort.

 

Gerechtfertigt, wie ich fand.

 

Darauf verschwand der Personaltyp auf Nimmerwiedersehen und überliess mich für die restlich vier Wochen der Abteilung.

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